Im September 2012 begannen wir, die Praxislerngruppe 9c der Adolf-Reichwein-Schule in Berlin, zusammen mit unserer Klassenlehrerin Sabine Waskönig, unserem Klassenlehrer Reiner Uhlig und Matthias Schellenberger (MASCH) von der Vincentino e.V. Medienwerkstatt, ein Filmprojekt über Adolf Reichwein (1898 - 1944), den Namenspatron unserer Schule.

Zu Beginn des Projektes sammelten wir Informationen im Internet, um mehr über die Person und das Leben von Adolf Reichwein zu erfahren. Adolf Reichwein war ein bedeutender Reformpädagoge, er war Professor, Volkskundler und Kulturpolitiker. Er war aktiv im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur und wurde 1944 in Berlin im damaligen Strafgefängnis Plötzensee ermordet.

Auszüge aus unserem Interview mit Jens Jürgen Saurin, dem ehemaligen Schulleiter der Adolf-Reichwein-Schule:
"Am meisten beeindruckt mich der Mut Adolf Reichweins, sein Widerstandsgeist und dass er sich gewehrt hat gegen die Diktatur. Unsere Adolf-Reichwein-Schule trägt den richtigen Namen und ich kann mich sehr mit dem Namen identifizieren, weil es eine gegen den Rassismus gerichtete Schule ist - und das entspricht auch dem Geiste Reichweins, dass die Menschen friedlich miteinander auskommen".

Was in Hinsicht auf unsere Schule am ehesten der Pädagogik Reichweins entspricht, ist das praktische Lernen und das stellen wir hier bei uns sehr in den Vordergrund. Das macht ihr ja selbst gerade, denn "FILM" ist auch bei Reichwein ganz groß geschrieben worden, aber auch die praktische Arbeit in Werkstätten, in der Natur, Garten usw."

"Was die Hand geschaffen hat, begreift der Kopf umso leichter."
Dieses Zitat von Adolf Reichwein beschreibt sehr gut, worum es ihm bei der Entwicklung neuer Ideen für die Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ging.

Auszüge aus unserem Interview mit Reiner Uhlig, Klassenlehrer:
"Ich glaube, ein wichtiges Bindeglied zwischen Adolf Reichwein und unserer Schule ist das praktische Lernen, dass man mit den Schülern rausgeht, dass man den Klassenraum verlässt und ihnen die Welt zeigt, z.b. wenn wir zum praktischen Arbeiten in die Rixdorfer Schmiede gehen oder die anderen Angebote und Möglichkeiten hier nutzen. Das kann man natürlich auch alles theoretisch machen, aber praktisch hat das einen ganz anderen Wert.

Wenn wir z.b. hier in unserem Filmprojekt über Adolf Reichwein sprechen und dann gemeinsam zu Orten wie der Gedenkstätte in Plötzensee gehen oder uns andere Denkmäler angucken, womit an diese Zeit erinnert wird. Ich glaube, das hätte Adolf Reichwein auch gemacht, er hätte auch die Schule verlassen, er wäre mit den Schülern rausgegangen und hätte sich alles draußen angeguckt, auch wieder im Sinne, die Dinge zu begreifen."

Schon sehr früh entwickelte Adolf Reichwein Überlegungen, wie er Filme im Unterricht einsetzen könnte. Die Dorfschule in Tiefensee bei Berlin, in der er von 1933 - 1939 arbeitete, wurde deshalb auch 1934 zur Versuchsschule für Unterrichtsfilm erklärt.

Auszüge aus unserem Interview mit Sabine Waskönig, Klassenlehrerin:
"Ich denke, das hat Adolf Reichwein gemacht, um vor allem auch lebenspraktische Themen zu behandeln. Außerdem ist Film ein Medium, mit dem man über verschiedene Sinne viele Leute ansprechen kann. Man kann Dinge anders darstellen als in einem Buch, obwohl ich Bücher sehr gerne lese. Man kann mit dem Einsatz von Filmen viele verschiedenen Orte in das Klassenzimmer holen.

Was mir am besten an Adolf Reichwein gefällt ist, dass er sehr mutig war, - ich glaube in vielerlei Hinsicht - z.b. auch, weil er viel gereist und gerne geflogen ist, mit einem eigenen kleinen Flugzeug. Aber natürlich auch, dass er in den Widerstand gegangen ist, das ist etwas, was zu dieser Zeit nur Menschen machten, die sehr mutig waren."

Adolf Reichwein war ein leidenschaftlicher Pilot und er besaß seit 1928 ein kleines Sportflugzeug.
Seine "Klemm 25 D", ein Anfang der 30er Jahre weit verbreitetes Leichtflugzeug, nannte er "Silver Cloud". In Halle an der Saale, wo er von 1930 bis 1933 als Professor an der pädagogische Hochschule tätig war, nannten ihn seine Studenten auch den "fliegenden Professor". 1933 verkaufte er sein geliebtes Flugzeug, als er, von der Nazis angeordnet, ein Hakenkreuz an der Maschine anbringen sollte.

Adolf Reichwein hatte bereits als junger Soldat im 1.Weltkrieg die Schrecken des Krieges erlebt, in den er als 18jähriger, wie viele andere junge Menschen, freiwillig zog. 1917 wurde er in Frankreich durch einen Lungenschuß schwer verwundet. Er kehrte schockiert aus dem Wahnsinn des Krieges nach Deutschland zurück und noch im Lazarett beschloß er zu studieren, um später Lehrer zu werden.

1933 errichten die Nationalsozialisten unter dem Diktator Adolf Hitler ihr brutales Terrorregime und stürzten die Welt ins Chaos. Adolf Reichwein, mittlerweile Professor in Halle an der Saale, wurde zum entschiedenen Gegner der Diktatur. Aus Abscheu gegen Adolf Hitler unterschrieb er seine persönlichen Briefe schließlich nur noch mit Edolf, weil er nicht mehr den gleichen Vornamen wie der Diktator ertrug.
Seit 1940 gehörte Adolf Reichwein einer Widerstandsgruppe gegen das Nazi-Regime an, dem "Kreisauer Kreis", benannt nach dem kleinen Ort Kreisau in Niederschlesien. Hier traf er sich mit Freunden und Bekannten, um ihren Widerstand zu organisieren und für die Zeit nach dem möglichen Sturz Hitlers zu planen. Am 4. Juli 1944 wurde Adolf Reichwein bei einem Treffen in Berlin von einem Spitzel verraten, von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) verhaftet und 3 Monate lang in deren Folterkerkern verhört. Am 20. Oktober 1944 wurde er durch den sogenannten Volksgerichtshof in Berlin, unter Vorsitz des berüchtigten Richters Roland Freisler, zum Tode verurteilt. Noch am gleichen Tag wurde Adolf Reichwein im damaligen Strafgefängnis Plötzensee ermordet.

Am 30.10.2012 besuchten wir mit unseren Klassenlehrer*innen Sabine Waskönig und Reiner Uhlig, unter Begleitung von Matthias Schellenberger und Hamze Bytyci, die Gedenkstätte in Plötzensee,
Hüttigpfad, 13627 Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier könnt ihr für weitere Informationen, oder auch als Vorbereitung eines eigenen Besuches dort, die Webseite der Gedenkstätte besuchen: www.gedenkstaette-ploetzensee.de

1937 wurde diese Arbeitsbaracke zum Ort für die Ermordung der Gefangenen bestimmt.

Zwischen 1933 und 1945 wurden in Plötzensee 2.891 Menschen ermordet.

In der Gedenkstätte gibt es viele Informationen zum Widerstand gegen die Nazi-Diktatur.
Wir beschäftigten uns bei dem Besuch der Gedenkstätte in verschiedenen Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichen Gruppen von Menschen, die versuchten, dem Hitler-Regime zu widerstehen.

Von 1933 - 1939 war Adolf Reichwein als Lehrer einer Ein-Klassen Schule im kleinen Ort Tiefensee, 40 km entfernt von Berlin, tätig. Hier entwickelte er einen viel beachteten Schulunterricht mit den Dorfkindern, den er auch in seinen Schulschriften veröffentlichte.

Die Inschrift auf der Bronzetafel an der Wand der früheren Schule,
in der sich heute eine Kita befindet, lautet:

ADOLF REICHWEIN, 1898 - 1944
Hochschullehrer in Halle an der Saale.
1933 seines Amtes enthoben.
Angehöriger des Kreisauer Kreises.
Im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
am 20.10. 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Als Lehrer an diesem Ort 1933 - 1939
schuf er eine humane, lebendige Schule.

Vor seiner Rückkehr nach Berlin im Jahr 1939 schrieb Adolf Reichwein seinen Schulkindern zum Abschied persönliche Gedichte in ihre Poesiealben. Eines dieser eindrucksvollen Gedichte lautet:

"Richte immer die Gedanken, fest und ohne schwaches Schwanken,
auf das selbst gewählte Ziel, hilft das Herz als Kompass viel.
Weist die Richtung in der Stille, soll der selbst gestählte Wille,
doch Dich stärken, fest zu halten und dein Leben zu gestalten.
Nach den großen Tugendbildern, die des Lebens Härte mildern:
Güte allen Menschen zeigen, Wahrheit gegen jedermann,
Über andrer Fehler schweigen und nur wollen, was man kann."

Am 04. Dezember 2012 besuchte uns Sabine Reichwein, die jüngste Tochter von Adolf Reichwein, in unserer Schule. Es war eine spannende Begegnung, die uns alle sehr gefreut und beeindruckt hat. Wir bedanken uns sehr herzlich für ihren Besuch!

Hier weitere biographische Daten über Adolf Reichwein:
Adolf Reichwein wurde am 3. Oktober 1898 wurde in Bad Ems geboren. Auch sein Vater war Lehrer. Seit 1913 war Adolf Reichwein Mitglied des sogenannten "Wandervogels", einer Jugendbewegung, die ihn sehr prägte. Durch gemeinsame Wanderungen, Ausflüge und Veranstaltungen in freier Natur wollten die Jugendlichen eine eigene, ungezwungene Lebensart entwickeln. 1916 zog der erst 18jährige Adolf Reichwein als Freiwilliger in den ersten Weltkrieg und wurde ein Jahr darauf in Frankreich durch einen Lungenschuß schwer verwundet. Nach dem Krieg studierte Adolf Reichwein von 1918-1923 (in Frankfurt am Main und in Marburg) Geschichte und Philosophie. Ab 1925 arbeitete Adolf Reichwein in Jena als Sekretär der Volkshochschule und wurde später zum Direktor berufen. Von 1926-1928 unternahm Adolf Reichwein lange Reisen in die USA, nach Mittelamerika und Asien, und schrieb sehr eindrucksvoll über seine Erlebnisse. 1928 unternahm er zusammen mit Studenten zum Teil sehr abenteuerliche Reisen durch Dänemark, Skandinavien und Lappland.
Von 1929-1930 arbeitete Adolf Reichwein als persönlicher Referent des Kultusministers Carl Becker in Berlin. 1930 wurde Adolf Reichwein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Im April 1933 wurde Adolf Reichwein durch die Nazis von seiner Arbeit als Professor an der pädagogische Hochschule in Halle als "unerwünschter Hochschullehrer" enthoben. Ihm wurde eine Professur in Istanbul angeboten, er entscheidet sich aber dagegen, Deutschland zu verlassen. Von 1933-1939 arbeitete Adolf Reichwein als Landschullehrer im kleinen Ort Tiefensee, 40 km von Berlin entfernt.
1939 kehrte Adolf Reichwein nach Berlin zurück und ihm wurde die Leitung der Museumspädagogik des Staatlichen Museums für Deutsche Volkskunde übertragen. Seit 1940 gehörte Adolf Reichwein dem Kreisauer Kreis an.Bei einem Treffen am 4. Juli 1944 in Berlin mit dem SPD Politiker Julius Leber und anderen Gegnern des Nazi-Regimes, wurde Adolf Reichwein durch einen Spitzel der Nazis verraten und am S-Bahnhof Berlin-Heerstraße von der GeStaPo (Geheime Staatspolizei) verhaftet. Nach drei Monaten Haft in den Folterkerkern der GeStaPo wurde Adolf Reichwein am 20. Oktober 1944 durch den sogenannten Volksgerichtshof in Berlin, unter Vorsitz des berüchtigsten Richters, Roland Freisler, zum Tode verurteilt. Noch am gleichen Tag wurde Adolf Reichwein im damaligen Strafgefängnis Plötzensee ermordet.

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